Während es in großen Industrieunternehmen oder im Healthcare-Bereich bereits viele Beispiele für gut funktionierende KI-Lösungen gibt, ist die Anzahl von Use Cases in der Unternehmenskommunikation noch sehr überschaubar. Einige erfolgreiche Anwendungsbeispiele präsentierte Microsoft letzten Mittwoch in München. Eine Nachlese.
69 Prozent der Wissensarbeiter:innen in Deutschland nutzen inzwischen KI bei der Arbeit (vgl. Studie von IDC und Microsoft). Sie versprechen sich u.a. Zeitersparnis, um sich mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren zu können. Der Effizienzdruck ist so hoch, dass 71 Prozent der KI-Nutzenden ihre eigenen Tools mit zur Arbeit bringen – Bring Your Own AI (BYOAI). Mitarbeitende wollen nicht warten, bis ihre Arbeitgeber Lösungen eingeführt haben. Unternehmen und Kommunikationsverantwortlichen Mut zu machen, dass Hürden für die Einführung von KI in der Unternehmenskommunikation niedriger sind als gedacht und es bereits erfolgreiche Beispiele gibt, war Ziel der Veranstaltung.
BASF – KI-Plattform CommsMate für mehr Effizienz und Qualität in der Unternehmenskommunikation
Als internationales Unternehmen mit vielen Geschäftsbereichen steht die Unternehmenskommunikation von BASF vor der Herausforderung, komplexe Rahmenbedingungen, Inhalte und Corporate Wordings in der Kommunikation zu berücksichtigen. Mona Riemenschneider, Head of Global Online Communications Agricultural Solutions bei BASF, stellte das Projekt CommsMate vor. Eine KI-Plattform mit ca. 1,5 Jahren Entwicklungszeit, die Kommunikationsverantwortliche in Routineaufgaben, v.a. im Bereich der Texterstellung, unterstützt. Dazu gehören u.a. die Sicherstellung einheitlicher Botschaften, die Erstellung von Pressemitteilungen und LinkedIn-Posts auf Basis definierter Strukturen und Qualitätsstandards oder ein Prompt-Cookbook. Zukünftig ist eine Ausweitung des CommsMate auf kommunikationsnahe Abteilungen wie Sustainability und HR geplant.
Kölner Stadtanzeiger – Mit KI-Redakteurin zu mehr Reichweite und höheren Klickraten
Thomas Schultz-Homberg, CEO Kölner Stadt-Anzeiger Medien, und sein Team haben für ihre KI-Projekte bereits verschiedene Preise gewonnen. Der CEO erklärte, warum das Unternehmen beim Thema KI führend ist und warum er im Gegensatz zu anderen heute bereits stark auf KI-generierte Texte setzt. Für die Recherche wurde das Tool Coconut entwickelt, das in das Redaktionssystem des Verlags eingebaut ist und quellenbeschränkt nur auf ausgewählte, kuratierte Seiten im Web zugreift. Für die Redaktionsworkflows gibt es ebenfalls eine KI-Plattform, die Prozesse beschleunigt und zum Beispiel Texte auf die verschiedenen Sprachstile der Zeitungen anpasst.
Besonderer Clou der Redaktion: KI-Redakteurin Klara Indernach vom Express. Sie wurde für das Erstellen von Artikeln v.a. im Bereich Panorama entwickelt. Sie erstellt inzwischen 11 Prozent der Texte und ist für 8 Prozent der gesamten Reichweite verantwortlich. Das Qualitätsmanagement erfolgt durch einen festen Redakteur, der auch verantwortlich unter dem Text verlinkt ist. Nach Angaben von Schultz-Homberg schreibt die KI-Redakteurin inzwischen nahezu fehlerfrei. Angesichts dieses Erfolgs wird ein zweiter KI-Redakteur, Emil Clearly, aufgebaut, der sich künftig auf E-Commerce-Themen spezialisieren wird.
IU Internationale Hochschule – KI-Assistentin Syntea für individualisiertes Lernen und mehr Bildungsgerechtigkeit
Die IU ist Deutschlands größte staatlich anerkannte private Fachhochschule und verfolgt mit ihren KI-Aktivitäten einen menschenzentrierten Bildungsansatz. Sie will das Studienangebot so weit wie möglich personalisieren und an die Vorlieben und Bedürfnisse der Studierenden anpassen. André Adler, Senior PR-Manager bei der IU, stellte am Mittwochabend Syntea vor, ein KI-Lernsystem auf Basis von Azure OpenAI. Die KI-Assistentin hilft, Wissenslücken zu identifizieren und das Lerntempo und die Lerngewohnheiten an die Studierenden anzupassen. Sie bietet eine tutorähnliche Lernerfahrung, ohne jedoch Tutoren ersetzen zu wollen. Ergebnis: Fokus auf nachhaltigem Lernen und Förderung von Transferdenken, das die Studienzeit insgesamt um ein Viertel reduziert.
Spannend zu erwähnen ist die IU Copilot School, die im Rahmen einer Kooperation mit Microsoft entstanden ist. Sie ist ein in Deutschland einzigartiges Online-Studium, bei dem Studierende gezielt hochwertige KI-Skills vermittelt bekommen. Damit entwickelt sich die IU weiter zu einem Ed-Tech-Unternehmen.
Mein persönliches Fazit aus dem Microsoft meet-up
KI-Agenten – Next Level Prompting
Prompting Skills sind entscheidend für Kommunikationsverantwortliche. Im Prinzip ist Prompting nichts anderes als Programmierung mit natürlicher Sprache – und das sollte uns in unserem Beruf nicht schwerfallen. Im alltäglichen Umgang mit ChatGPT & Co. sind wir Kommunikationsverantwortliche inzwischen geübt. Jetzt gilt es, komplette Prozesse und Workflows in der Kommunikation zu analysieren und durch eine Reihe von entsprechenden Prompts zu automatisieren. Das erfordert gute analytische Fähigkeiten und abstraktes Denkvermögen. Wer sich darauf einlassen kann und möchte, ist künftig klar im Vorteil – auf Unternehmens- wie auf Agenturseite.
Human in the Loop – Kritisches Denken wichtiger denn je
KI sollte immer nur als Tool zur Unterstützung und Effizienzsteigerung der eigenen Arbeit gesehen werden. Qualitätsprozesse wie die Überprüfung der Quellen oder die Aktualität der Daten müssen einbezogen werden. „Deshalb heißt der Microsoft Copilot auch Copilot und nicht Autopilot“, so ein Vertreter von Microsoft an dem Abend. Hier sehe ich persönlich die größte Herausforderung für uns – KI-Tools wie ChatGPT, Perplexity oder Claude verführen dazu, die Denk- und Textarbeit den Large Language Models zu überlassen. Doch kritisches Denken, die Übernahme von Verantwortung und Qualitätsbewusstsein sind bei zunehmend KI-generierten Inhalten und oftmals fehlenden Kennzeichnungen mehr denn je gefragt. Daher ist es bedenktlich, dass die Nutzung von KI am Arbeitsplatz offenbar die kognitiven Fähigkeiten verkümmern lässt – wie eine aktuelle Studie (The Impact of Generative AI on Critical Thinking: Self-Reported Reductions in Cognitive Effort and Confidence Effects From a Survey of Knowledge Workers) von Microsoft zeigt.
Wie kommt das Neue in die Welt? Nur mit uns Menschen!
Bei aller Euphorie über die schier unendlichen Anwendungsmöglichkeiten von KI-Tools und KI-Agenten bleibt ein Fakt bestehen: Alle gängigen LLMs basieren auf bereits vorhandenen Daten und Texten. Doch wie kann dann das Neue in die Welt kommen? Wie werden die LLMs mit neuen Ideen, Gedanken oder Argumenten gefüttert? Dafür müssen wir in unserer Doppelrolle als Schöpfer und Anwender von KI Sorge tragen. Es ist unsere Aufgabe, die Kommunikation von morgen mit generativer KI sinnvoll weiterzuentwickeln. Denn unser Qualitätsanspruch an Aktualität und Originalität muss beibehalten werden.
Im Nachgang an das meet-up hat Microsoft noch zwei Links mit Tipps/ Use Casese für Microsoft Copilot in der Kommunikation geteilt:
- Using Copilot in Communications (Copilot Scenario Library) – Microsoft Adoption
- Copilot-Promptkatalog
Und hier gibt' eine gute Übersicht über alle Microsoft Events zum Thema KI und CoPilot:
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Bildnachweis: Das Bild wurde mit Hilfe von Midjourney erstellt.
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