Thunberg und die Bahn: Ein Satz, eine Krise

Wenige Tage vor Jahresende schafft es die Deutsche Bahn, für eines der größten PR-Desaster 2019 zu sorgen – mit nur einem Satz. Ein Lehrstück in Sachen missglückter Kommunikation.

Man darf davon ausgehen, dass die Deutsche Bahn eine üppig besetzte Kommunikationsabteilung  nebst externer Unterstützung hat und über so viel PR-Erfahrung verfügt wie nur wenige Großkonzerne in Deutschland. Kaum ein Unternehmen hat so viele Kunden, kaum ein Unternehmen steht so sehr im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, und, ja, kaum ein Unternehmen hat so viel Krisenkommunikation zu bewältigen. Fast jeden Tag toben mehr oder weniger heftige Shitstorms mit der Deutschen Bahn im Mittelpunkt – sei es wegen verspäteter Züge, kaputter Heizungen oder unfreundlicher Schaffner.

Dabei muss man zugeben: Bahn-Bashing ist schon lange zu einer Art Volkssport geworden. Die Schimpftiraden sind manches Mal übertrieben, für einige der Pannen kann die DB wirklich nichts, andere Verkehrsmittel sind häufig unzuverlässiger und nervenaufreibender. Die Kommunikatoren, die täglich die Kritik abbekommen, ob berechtigt oder nicht, sind wahrlich nicht zu beneiden. Dass deswegen die Nerven in der PR-Leitstelle mitunter blank liegen, ist nur allzu menschlich.

Dennoch: Wie die Bahn es nun geschafft hat, wenige Tage vor Weihnachten einen harmlosen Tweet von Greta Thunberg in ein PR-Desaster sondergleichen zu verwandeln, ist schon bemerkenswert – jedenfalls mit einem nervenbedingten Ausrutscher nicht zu erklären. Was war passiert?

Unpolitische Botschaft
Greta Thunberg postete am Wochenende ein Foto von sich aus einem ICE, im Einstiegsbereich zwischen allerhand Gepäck sitzend, den Blick nachdenklich zum Fenster gerichtet, dazu der Satz: „Traveling on overcrowded trains through Germany. And I’m finally on my way home!“ Natürlich machen Thunberg und ihr Team auch an den letzten Tagen des Jahres PR, natürlich ist das Foto wie immer in den sozialen Medien ein Stück weit inszeniert. Aber die Botschaft ist doch für ihre Verhältnisse recht unpolitisch. Der Post strahlt eine Art „driving home for christmas“-Stimmung aus: endlich auf dem Weg in die Heimat, etwas holprig zwar, aber egal, Hauptsache nach Hause, nach so einem ereignisreichen und anstrengenden Jahr inklusive zweier Atlantik-Überquerungen.

Der letzte Weg des Jahres der gerade vom amerikanischen Time-Magazine frisch gewählten „Person of the Year“  – mit der Deutschen Bahn! Das ist ein PR-Geschenk erster Güter, zumal sich die Bahn seit geraumer Zeit verstärkt als ökologische Alternative zu anderen Verkehrsträgern positioniert. „Spiegel Online“ bemerkt völlig treffend: „Man mag von Greta Thunberg halten, was man will. Für ihre Anwesenheit in einem ICE würde das Unternehmen, wäre sie käuflich, mehr Geld hinblättern als für ihren Formel-1-Werbeträger Nico Rosberg.“

Beleidigte Reaktion
Was macht die Kommunikationsabteilung stattdessen? Weist beleidigt daraufhin, dass Thunberg durchaus einen Sitzplatz hatte. Fordert, dass sie den Bordservice hätte positiv erwähnen sollen. Und unterschlägt auch noch, dass tatsächlich ein Zug ausgefallen war und sie zeitweise auf dem Boden saß. Dabei stellte die Schwedin sogar noch souverän klar, dass sie mitnichten die Bahn bashen wollte (im Gegensatz zu gefühlt 80 Millionen Deutschen), sondern sich über überfüllte Züge grundsätzlich freue.

Da bekommt die Bahn unbezahlte Werbung von der derzeit weltweit gefragtesten Ikone der Klimaschutzbewegung - und nutzt dieses verfrühte PR-Weihnachtsgeschenk lediglich dazu, sich selbst mit Voll-Karacho in eine veritable Kommunikationskrise zu stürzen. Mögen auch die Nerven in der PR-Leitstelle am Ende des Jahres überstrapaziert sein, so bleibt es völlig unverständlich, wie krisenerprobten Kommunikatoren solch ein Fauxpas unterlaufen kann. Bereits jetzt hat sich dieser eine Satz einen Platz in den Lehrbüchern der Krisenkommunikation gesichert.

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