Wie ein Nachhaltigkeitsbericht sein sollte – und wie nicht

Bisher waren in Deutschland nur etwa 500 Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, über ihre eigene Nachhaltigkeit zu berichten. Ab 1. Januar 2024 werden es etwa 15.000 sein. Umso wichtiger, sich jetzt darauf vorzubereiten. Ein Überblick über die Dos und Don’ts von Nachhaltigkeitsberichten.

Bereits am 5. Januar trat eine neue Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) auf EU-Ebene in Kraft. Basierend auf einem Stufenmodell soll diese Unternehmen Schritt für Schritt verpflichten, einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Bisher sind lediglich größere Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, mit mehr als 40 Millionen Euro Umsatz oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro verpflichtet, über ihre eigene Nachhaltigkeit zu berichten.

Für viele Unternehmen ist ein Nachhaltigkeitsbericht daher ein Novum. Es stellt sich also zurecht die Frage: Was sollte ich beachten, wenn ich einen Nachhaltigkeitsbericht erstelle, damit er nicht nur die rechtlichen Vorgaben erfüllt, sondern auch auf den Unternehmenserfolg einzahlt?

Doch bevor wir dazu kommen, ein kleiner Exkurs in die Dominikanische Republik (versprochen, es führt gleich zum Punkt): Denn hierhin ging meine Reise im Jahr 2022. Wir entschieden uns als Familie mit Wickelkind damals für ein Eco-Resort, ein – so vom Anbieter angepriesen – umweltfreundliches Hotel. So wurden die Cocktails brav mit Papierstrohhalmen serviert, das Management angeblich langfristig nachhaltig angelegt und die Mülleimer in drei Segmente – Papier, Plastik und Biomüll – unterteilt. Letzteres brachte mich täglich fast zur Verzweiflung. Was vordergründig nach gewissenhafter Mülltrennung aussah, war schlichtweg Augenwischerei. Spätestens bei dem Versuch, ein benutztes Exemplar – Windel, nicht Kind – an ebendiesem dreigeteilten Mülleimer zu entsorgen, ist man zum Scheitern verurteilt. Wohin sie nun wirklich gehört, konnte mir vor Ort niemand sagen. So wurde es mal der Papier- und mal der Biomüll (beides ist absolut absurd, denn benutzte Windeln können niemals recycelt werden).

Don’t: Den Nachhaltigkeitsbericht als Imagebroschüre nutzen

Doch was haben volle Windeln mit Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen zu tun? In meinen Augen sehr viel. Denn viele Firmen gestalteten diese bisher so wie unser Urlaubsanbieter sein Hotel: Die guten Dinge werden hervorgehoben, die nicht ganz so angenehmen Themen gar nicht erst erwähnt. Nachhaltigkeitsberichte werden so zu Imagebroschüren, in der es den unangenehmen Restmüll, der nicht zum leuchtenden Recyclingkonzept passt, schlichtweg nicht gibt. Offiziell. In der Hoffnung, dem oder der Durchschnittsleser:in fällt es nicht auf. Oft genug kamen Unternehmen damit durch. Ab jetzt wird das schwieriger. Nicht nur, weil es mit der neuen Richtlinie sehr konkrete, einheitliche Vorgaben zu erfüllen gilt, sondern auch, weil es inzwischen immer mehr Journalist:innen und Aktivist:innen gibt, die gerade im Bereich Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsbericht ganz genau hinsehen und so genanntes Greenwashing anprangern. Mit Verschweigen oder Verschönern schneidet man sich dann ins eigene Fleisch – und verliert an Glaubwürdigkeit.

Do: Nachhaltigkeit als Prozess implementieren

Aus diesem Grund sollten Unternehmen ihre Nachhaltigkeit ernst nehmen und vorbereitend auf die neue Verordnung einen Prozess aufsetzen. Das beginnt damit, innerhalb des eigenen Unternehmens eine:n CSR-Ansprechpartner:in zu ernennen, der oder die Daten sammelt, Wissen aufbaut und vor allem, unterstützt durch die Geschäftsleitung, die Verantwortung übernimmt. Eine Kommunikationsabteilung oder -agentur kann nur ergänzend unterstützen. Eine Investition in die Zukunft, die sich auszahlt. Denn das in Frage stellen der Produktions- und Arbeitsprozesse und der verwendeten Materialien kann auch Kosten senken. Zum Beispiel durch Einsparen von Strom oder Material oder durch kürzere Wege und damit weniger Transportkosten. Nur mit einem klar definierten Workflow, regelmäßigen Treffen bestimmter Arbeitsgruppen und einer ständigen Datenerhebung schaffen Firmen intern wie extern Transparenz – und finden Schwachstellen, die es zu verbessern gilt.

Do: Auf Genauigkeit und Expertise setzen

Um die Datenerhebung zu gewährleisten, braucht es eine ständige Dokumentation, die meist ohne die entsprechende Technik nicht möglich ist. Das bedeutet, dass eventuell auch in neue Software investiert werden muss. Gerade bei sehr komplexen Daten wie der Ermittlung von direkter und indirekter CO2-Emission (in der Fachsprache Scope 1 und Scope 2) empfehlen wir, auf externe, unabhängige Expert:innen zurückzugreifen. Die Daten müssen danach entsprechend aufbereitet und in Relation gesetzt werden – in Form von Texten, Infografiken oder Tabellen. Erst wenn die Daten in einen Kontext eingebettet werden, bekommen diese eine Bedeutung, können gedeutet und gewertet werden.

Do: Perspektive aufzeigen

Doch Daten einmalig auszuwerten und allumfänglich sichtbar zu machen ist nicht genug. Das Unternehmen muss eine Perspektive aufzeigen, wohin die Reise gehen soll. Welche Strategie gibt es, um einerseits Produkte, Prozesse und Kosten zu optimieren und anderseits wesentliche Probleme gezielt anzugehen? Wie genau sollen sich die Zahlen in den nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahren verändern? Welche Zielwerte werden angestrebt?

Wichtig ist es hier, sich selbst nichts vorzumachen, sondern ambitionierte, aber realistische Ziele zu setzen. Denn genau das fordert die CSRD – nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen, sondern sich selbst wirklichkeitsnah herauszufordern. Und alle Daten auch über Jahre hinweg vergleichbar auszuwerten und sichtbar zu machen – am besten in einer einheitlichen Darstellung gemäß einem vorher definierten Berichtsstandard wie dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK).

In unserem konkreten Beispiel mit den Windeln bedeutet dies: Das Problem klar benennen (Wir brauchen eine Restmülltonne), eine Strategie für die Zukunft erarbeiten und offen kommunizieren (Wie wollen wir die Art der Mülltrennung verbessern?) und die Fortschritte (und auch Rückschläge) in den folgenden Nachhaltigkeitsberichten transparent zu dokumentieren.

Nur so wirkt ein Unternehmen authentisch – und ist für Kund:innen wie für Mitarbeitende glaubwürdig. Und dann klappt es zukünftig auch mit den Windeln.

Autor:in

Verena Marino

Studierte Dokumentarfilmregisseurin und Fernsehpublizistin mit Blick für Details. Das bewegte Bild und audiovisuelle Medien sind ihr Zuhause, Menschen und Geschichten ihre Leidenschaft. Hat jahrelange consense-Erfahrung gepaart mit fast fünf Jahren Leben in China im Gepäck. Ob interne oder externe Regelkommunikation, Townhall-Meetings, Videoproduktionen, Printmagazine oder Online-Publikationen – zielsicher bringt sie auch internationale Unternehmen strategisch und mit analytischem Blick auf die KPIs voran.

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