Bisher gab es für viele Firmen keine Auskunftspflicht über ihre eigene Nachhaltigkeit. Dies soll sich künftig ändern. Die EU-Institutionen haben sich am 21. Juni 2022 auf eine neue Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) geeinigt. Basierend auf einem Stufenmodell soll diese Unternehmen Schritt für Schritt verpflichten, zukünftig einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Umso wichtiger für uns und unsere Kund:innen, sich schon jetzt darauf vorzubereiten, weiß Beraterin Verena Marino.
Doch bevor wir zu den Dos und Don‘ts von Nachhaltigkeitsberichten kommen, ein kleiner Exkurs in die Dominikanische Republik (versprochen, es führt gleich zum Punkt): Denn hierhin ging meine letzte Reise. Wir entschieden uns für ein Eco-Resort, ein – so vom Anbieter angepriesen – umweltfreundliches Hotel. So wurden die Cocktails brav mit Papierstrohhalmen serviert, das Management angeblich langfristig nachhaltig angelegt und die Mülleimer in drei Segmente – Papier, Plastik und Biomüll – unterteilt. Letzteres brachte mich täglich fast zur Verzweiflung. Was vordergründig nach gewissenhafter Mülltrennung aussah, war schlichtweg Augenwischerei. Spätestens bei dem Versuch, ein benutztes Exemplar – Windel, nicht Kind – an ebendiesem dreigeteilten Mülleimer zu entsorgen, ist man zum Scheitern verurteilt. Wohin sie nun wirklich gehört, konnte mir vor Ort niemand sagen. So wurde es mal der Papier- und mal der Biomüll.
Ein Nachhaltigkeitsbericht ist keine Imagebroschüre
Doch was haben volle Windeln mit Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen zu tun? In meinen Augen sehr viel. Denn viele Firmen gestalteten diese bisher so wie unser Urlaubsanbieter sein Hotel: die guten Dinge werden hervorgehoben, die nicht ganz so angenehmen Themen gar nicht erst erwähnt. Nachhaltigkeitsberichte als Imagebroschüre, in der es den unangenehmen Restmüll, der nicht zum leuchtenden Recyclingkonzept passt, schlichtweg offiziell nicht gibt. In der Hoffnung, dem oder der Durchschnittsleser:in fällt es nicht auf. Und oft genug kamen sie damit durch. Zukünftig wird das schwieriger. Nicht nur, weil es mit der neuen Richtlinie bestimmte einheitliche Vorgaben zu erfüllen gibt, sondern auch, weil es immer mehr Journalist:innen und Aktivist:innen gibt, die gerade im Bereich Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsbericht ganz genau hinsehen. Mit Verschweigen oder Verschönern schneidet man sich dann ins eigene Fleisch – und verliert an Glaubwürdigkeit.
Nachhaltigkeit als Prozess implementieren
Aus diesem Grund sollten Unternehmen den Bereich Nachhaltigkeit ernst nehmen und vorbereitend auf die neue Verordnung schon jetzt als Prozess aufsetzen. Das beginnt damit, innerhalb des eigenen Unternehmens eine:n CSR-Ansprechpartner:in zu ernennen, der oder die das Wissen, aber auch die Verantwortung übernimmt. Eine Kommunikationsabteilung oder -agentur kann nur ergänzend unterstützen. Eine Investition in die Zukunft, die sich auszahlt. Nur mit einem klar definierten Workflow, unterjährigen Treffen bestimmter Arbeitsgruppen und einer ständigen Datenerhebung schaffen Konzerne interne wie externe Transparenz – und finden Schwachstellen, die es zu verbessern gilt.
Auf Genauigkeit und Expertise setzen
Um die Datenerhebung zu gewährleisten, braucht es eine ständige Dokumentation, die meist ohne die entsprechende Technik nicht möglich ist. Das bedeutet, dass eventuell auch in neue Software investiert werden muss. Gerade bei sehr komplexen Daten wie der Ermittlung von direkter und indirekter CO2-Emission empfehlen wir, außerdem auf externe, unabhängige Expert:innen zurückzugreifen. Die Daten müssen danach entsprechend aufbereitet und in Relation gesetzt werden – in Form von Texten, einer Infografiken oder Tabellen. Erst wenn die Daten in einen Kontext eingebettet werden, bekommen diese eine Bedeutung, können gedeutet und gewertet werden.
Perspektive aufzeigen
Doch Daten einmalig auszuwerten und allumfänglich sichtbar zu machen ist nicht genug. Das Unternehmen muss eine Perspektive aufzeigen, wohin die Reise gehen soll. Welche Strategie gibt es, um einerseits Produkte, Prozesse und Kosten noch zu optimieren und anderseits auch Probleme anzugehen? Wie genau sollen sich die Zahlen in den nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahren verändern? Welche Zielwerte werden angestrebt? Wichtig ist es hier, sich selbst nichts vorzumachen, sondern ambitionierte, aber realistische Ziele zu setzen. Nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen, sondern sich selbst realistisch herauszufordern. Und alle Daten auch über Jahre hinweg vergleichbar auszuwerten und sichtbar zu machen – am besten in einer einheitlichen Darstellung.
In unserem konkreten Beispiel mit den Windeln bedeutet dies: Das Problem klar benennen (was läuft noch nicht wirklich rund?), eine Strategie für die Zukunft erarbeiten und offen kommunizieren (wo wollen wir hin?) und die Fortschritte (und auch Rückschläge!) in den folgenden Nachhaltigkeitsberichten transparent zu dokumentieren.
Nur so wirkt ein Unternehmen authentisch – und ist für Kund:innen wie für Mitarbeitende glaubwürdig. Und dann klappt es zukünftig auch mit den Windeln.
Bildquelle: Freepik
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